Und der Verlierer ist die AfD

16. März 2021

Von Dr. Ulrich Schneider, Bundessprecher der VVN-BdA

Aus antifaschistischer Sicht waren die Landtags- und Kommunalwahlen 2021 durchaus von Interesse. Dabei sind es nicht so sehr die Machtverschiebungen im Lager der bürgerlichen Parteien zwischen CDU, Grüne, SPD, FDP und Freien Wählern, die unsere politische Aufmerksamkeit erfordern, sondern die Rolle der extrem rechten Kräfte in der politischen Landschaft. Sehr erfreut kann man festhalten, dass die AfD in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz jeweils ein Drittel ihrer Wählerstimmen verloren hat, wobei der größte Teil der Verluste in das Lager der Nichtwähler zurückgekehrt ist. Trotz dieser guten Nachricht bleibt die Erkenntnis, dass die Partei in beiden Bundesländern über ein Stammwählerpotenzial verfügt, dass sich weder von den parteiinternen Querelen, noch von den offen faschistischen Positionen ihrer Repräsentanten davon abhalten lässt, die AfD zu wählen. Diese Wähler verfügen offenkundig über ein geschlossen extrem rechtes Weltbild, was mit den Werten unserer Demokratie nur schwer zu vereinbar ist. Ob und wie weit es mobilisierbar ist, zeigen die gegenwärtigen Corona-Leugner-Demonstrationen, bei denen gewalttätige Rechte zunehmend eine Rolle spielen.

Auf diese Stammwählerschaft wurde die AfD auch in Hessen bei der Kommunalwahl eingedampft. Antifaschisten können mit großer Zufriedenheit feststellen, dass – mit vereinzelten Ausnahmen – die AfD flächendeckend in den Kommunen und in den Kreistagen deutlich an Stimmen verloren hat. In den großen Städten und Kreistagen verlor die AfD nach den bisher vorliegenden Trendergebnissen zwischen 25% und 40% ihrer Stimmen. Nur in politisch traditionell tiefschwarzen osthessischen Kreisen und Kommunen konnte sie zumeist zweistellige Ergebnisse erzielen – zulasten der CDU und anderer bürgerlicher Parteien, was sicherlich auch an populären örtlichen AfD-Vertretern, die früher als Politiker in der CDU aktiv waren, lag. Die Behauptung der hessischen AfD-Spitze, man habe die Zahl der Mandatsträger gegenüber 2016 gehalten, dürfte – wenn sie denn überhaupt stimmt – nur daran liegen, dass diesmal auch in weiteren Gemeinden und Ortsbeiräten AfD-Listen aufgestellt wurden. In einigen Kreisen und Kommunen hat sich die AfD als erfolgreichste extrem rechte Gruppe als Sammelbecken der noch vorhandenen ehemaligen Wähler der Republikaner, „Die Rechte“ oder NPD erwiesen. Sichtbar wurde dies in der skandalösen Kandidaten-Aufstellung, wo beispielsweise im Landkreis Kassel ein vorbestrafter gewalttätiger Neonazi auf die Kreistagsliste der AfD auf aussichtreiche Position genommen wurde. Als dies öffentlich wurde, distanzierte man sich zwar formell, aber Abgrenzung sieht anders aus. Für die anderen Naziparteien hatte das zur Folge, dass z.B. die NPD nur in ihrer ehemaligen Hochburg Altenstädt (erinnert sei an den Skandal 2019 um die Wahl von Jagsch zum Ortsvorsteher) ihr Ergebnis zweistellig gestalten konnte, in allen anderen Wahlkreisen fiel sie in die Bedeutungslosigkeit zurück.

Obwohl es in diesem Jahr keinen klassischen Straßenwahlkampf gab, sind die Verluste der AfD auch dem politischen Handeln der antifaschistischen Kräfte in Hessen geschuldet. Man kann erfreut feststellen, dass – trotz aller Corona-Einschränkungen in den vergangenen Monaten – es eigentlich keine Veranstaltung oder politischen Auftritte der AfD in Hessen gegeben hat, die nicht durch öffentliche Proteste begleitet waren. „Aufstehen gegen Rassismus“, Bündnisse „Bunt statt braun“, die VVN-BdA und andere Initiativen waren in verschiedenen Teilen Hessens aktiv gegen die AfD und andere Rechte. Sichtbar wurde dies auch beim AfD-„Wahlkampf-Höhepunkt“ mit Björn Höcke in Offenbach. Den knapp 50 Anhängern der AfD, die den rassistischen und nationalistischen Tiraden des thüringischen AfD-Vorsitzenden lauschen wollten, standen etwa 1000 Antifaschisten unterschiedlichster Orientierung, aus der Gewerkschaft, der autonomen Antifa, aus regionalen Bündnissen „Bunt statt braun“, den Naturfreunden, der grünen Jugend und selbstverständlich der VVN-BdA gegenüber. Es war ein starkes Signal, das seine politische Wirkung auf unschlüssige Wähler sicherlich nicht verfehlt hat. Von Bedeutung war sicherlich auch die von der hessischen VVN-BdA initiierten breiten politischen Initiative „Demokratie wählen!“, die mit ihrer 28-seitigen Zeitung und dem damit verbundenen Internetauftritt in das Wahlkampfgeschehen eingriff – selbst wenn es nur schwer quantifizierbar sein dürfte. Dieses Massenmaterial, das in einer fünfstelligen Auflage in verschiedenen hessischen Städten im „Briefkastenwahlkampf“ eingesetzt wurde, überzeugte sicherlich nicht den AfD-Wähler selber, zeigte aber allen politisch Interessierten, wie breit der gesellschaftliche Widerstand gegen rassistische und extrem rechte Positionen in Hessen sich aufstellt, und lieferte Argumentationshilfen für die eigene Überzeugungsarbeit im Gespräch mit Nachbarn und Freunden. Damit leistete diese Initiative einen wichtigen Beitrag gegen die Ausbreitung der AfD und anderer neofaschistischer Kräfte auf kommunaler Ebene.